Coworking & Kultur – Kultur & Container

Der Coworking-Vordenker Tobias Kremkau beschreibt „Coworking“ als „Kultur des Miteinanders“. Ich teile diese Ansicht. und ich weiß, dass sie erklärt werden muss. Oft reicht das verbreitete Begriffsverständnis von „Schreibtischvermietung“ über „Leerstand-Nutzung“ vielleicht noch bis zum „flexiblen Arbeiten in einer coolen Tischkicker-Location“. Das gehört natürlich dazu, aber für mich ist Coworking das: an individuellen Aufgaben an einem gemeinsamen Ort – dem Coworking Space – zu arbeiten, wo die Grundwerte Gemeinschaft, Kollaboration, Nachhaltigkeit, Offenheit und Zugänglichkeit gelten. Warum ich das heute hier schreibe?

Am vergangenen Freitag hatte ich als Repräsentant der Coworker-Zunft Gelegenheit, beim Start eines seelenverwandten Projektes ein paar Worte zu sagen. Am Bahnhof Geltendorf, Eisenbahnknotenpunkt und Endstation der Münchner S-Bahn-Linie 4, wurden mit lokaler Politprominenz vor Medienleuten „KulTainer“ vorgestellt. Die ganze Sache hat eine spannende Geschichte. Seit Jahren steht das Bahnhofsgebäude leer und nun soll schon bald neues Leben einziehen. Voraussichtlich ab Herbst soll – nach dem Willen des Eigentümers und Investors, Nicolas Stoetter – das alte Empfangsgebäude saniert werden. Er will den Bahnhof nachhaltig und umfassend entwickeln, im alten Gebäude einen Begegnungs- und Arbeitsraum für Menschen aus der Region schaffen. Ein Coworking Space!

Dass auf dem Weg zur Wiedergeburt eine Serie kultureller Veranstaltungen stattfindet, ist eine großartige Gelegenheit. Die Events organisieren der Kulturverein „dieKunstBauStelle“, das Theater „Die Stelzer“ und – so der Plan – lokale Initiativen.  Am 16. April ist der Startschuss gefallen, mit der Eröffnung von zwei, auf dem Bahnhofsvorplatz aufgestellten „KulTainern“, einer Symbiose von Kultur und Containern. Diese dienen der mobilen Medienproduktion. Die Organisatoren wollen in den kommenden drei Monaten Authentisches zum Bahnhof und zur Gemeinde einfangen. Daraus sollen interessante Geschichten für Einheimische, für die täglich tausenden Pendler und für Gäste entstehen. In einem übergeordneten Rahmen wird die Gemeinde Geltendorf mit der Aktion auch Teil der LandsbergHistoryApp, die einen multimedialen Zugang zur Geschichte im Landkreis Landsberg schafft. Weitere Gemeinden – Dießen, Fuchstal, Kaufering und Schondorf – folgen als Standorte für die „KulTainer“.

Weitere Kunst- und Kulturprojekte sollen ab Sommer folgen, wenn die „KulTainer“ schon weiter gezogen sein werden. Wolfgang Hauck, der Initiator  von dieKunstBauStelle, freut sich über den Start in Geltendorf. „Das ist ein symbolischer Auftakt an einem Kreuzungsbahnhof. Dieser steht für die Netzwerke und Verbindungen, die mit den Projekten in den nächsten Jahren entstehen werden.“

Netzwerke und Verbindungen sind Voraussetzung für Coworking, erst recht im ländlichen Raum. Das war der Antrieb, die „KulTainer“, von deren Standortsuche ich in der lokalen Presse gelesen hatte, nach Geltendorf zu lotsen. Denn dort machen wir uns schon seit einigen Monaten in einer interessanten Zusammenarbeit von Ammersee Denkerhaus, CoWorkLand und Nicolas Stoetter Gedanken, wie am Bahnhof Geltendorf ein Coworking Space zum Fliegen gebracht werden kann. Es passte alles zusammen, vor allem die Wellenlänge von Nicolas, Wolfgang und mir stimmt.

Damit die „KulTainer“ auf dem Bahnhofsvorplatz etwas heimelige Stimmung aufkommen lassen, haben wir uns bei den Popup-Container-Profis von CoWorkLand ein paar Tipps geholt. Und Hans-Joachim Klein, der begnatete Dießener Schreinermeister in Rente, der schon bei der Einrichtung unseres Ammersee Denkerhauses mit seinen goldenen Händen gezaubert hat, hat aus Paletten zwei bepflanzte Sitzbänke gebaut. Danke für einen Tag anstrengender Arbeit, die sich gelohnt hat!

In meinem kurzen Statement zur Einweihung der „KulTainer“ habe ich gesagt: „Ich glaube, was wir hier sehen, das ist eine Art Coworking: Wir haben einen Ort, wo Leute zusammenkommen und gemeinsam etwas Neues kreieren können. Insofern ist das hier also ‚Open Air Coworking‘, was wir in den kommenden Wochen machen.“ Ich habe meine Hoffnung ausgedrückt, dass „die KulTainer eine Keimzelle sein werden für einen erfolgreichen Coworking Space in Geltendorf“. Dieser hätte gerade an diesem Bahnhof sicher seine Berechtigung. Denn arbeitstäglich passieren ihn ca. 8.000 Pendler. Denen soll ein Coworking-Angebot gemacht werden, künftig zwei Stunden ihrer Lebenszeit am Tag zu sparen, die sie auf der Strecke in die Arbeit und wieder nach Hause verbrauchen. Stattdessen in ihrer Wohnregion zu bleiben, hier professionell an einem gemeinsamen Ort zu arbeiten – dem Coworking Space – zu arbeiten, davon würden Pendler wie Kommune und Region profitieren. Die ersten Schritte werden gemacht.